MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch

Chancen der Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrationserfahrung – nachgefragt bei BDA, DGB und DIHK

Die Arbeitsmarktintegration geflüchteter und neu zugewanderter Frauen ist ein gesellschaftlicher Auftrag, um soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Gleichzeitig ist sie ein Schlüssel zur Fachkräftesicherung. Vor diesem Hintergrund entstehen vielerorts enge Kooperationen zwischen MY TURN-Projekten und Betrieben, die sowohl für die Programmteilnehmerinnen als auch für die lokalen Unternehmen wertvolle Beschäftigungsperspektiven eröffnen.

Die im Juli 2025 erschiene Programmpublikation „Kooperation mit Mehrwert – MY TURN als Partner für Betriebe“ zeigt deutlich, wie zentral die Etablierung einer engen Zusammenarbeit mit Unternehmen für eine nachhaltige Integration von Frauen mit Migrationserfahrung in den Arbeitsmarkt ist.

Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Verbände und Sozialpartner, die ihre Netzwerke, Erfahrungen und Expertise einbringen, um Brücken zwischen Betrieben und den MY TURN-Projekten zu bauen.

Vor diesem Hintergrund hat die Vernetzungsstelle MY TURN die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) um ihre Einschätzungen gebeten und wollte wissen:

  • Wie können Unternehmen davon profitieren, wenn sie Frauen mit Migrationserfahrung beschäftigen?
  • Was braucht es, damit Frauen mit Migrationserfahrung erfolgreich und dauerhaft eine Beschäftigung aufnehmen können?
  • Was können die Unternehmen dafür tun? Wo brauchen sie Unterstützung?

Die folgenden Beiträge geben Einblick in die Perspektiven der drei Organisationen – und zeigen: Die Beschäftigung von Frauen mit Migrationserfahrung bietet in vielerlei Hinsicht große Chancen – für die Frauen und ihre Familien, für Betriebe und die Gesellschaft als Ganzes. Die Rahmenbedingungen sind jedoch weiterhin häufig herausfordernd.

  • Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

    Der Anteil der Beschäftigten mit Migrationserfahrung in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gewachsen, mit rund 40 % ist fast jede zweite der Beschäftigten mit Migrationserfahrung weiblich. Ihre verbesserte Aktivierung und Integration in Arbeit und Gesellschaft muss zentrales Ziel der Integrationspolitik werden. Untersuchungen aus der Migrationsforschung betonen insbesondere die „Türöffner-Funktion“ von Frauen. Ihre Erwerbstätigkeit sichert nicht nur den Lebensunterhalt, sondern hat auch positive Auswirkungen auf die Integration der gesamten Familie. Eine bessere Integration am Arbeitsmarkt kann zudem Abwanderung nachhaltig reduzieren. Alles, was hier investiert wird lohnt sich!

    Frauen mit Migrationserfahrung haben oft einen großen Wunsch zu arbeiten. Viel zu oft werden sie aber von den Rahmenbedingungen ausgebremst. Um eine Beschäftigung aufzunehmen oder an Sprach- und Integrationskursen teilzunehmen, sind bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote häufig Voraussetzung. Kitaplätze sind allerdings immer noch Mangelware und werden von Familien mit Migrationsgeschichte sogar noch weniger genutzt. Hinzu kommen Probleme bei der formalen Anerkennung von Berufsabschlüssen. Diese ist komplex und langwierig, insbesondere in Care-Berufen (Pflege, Lehramt) und erschwert Arbeitsmarktintegration.

    Betriebe sind ein wichtiger Ort der gesellschaftlichen Integration. Unterschiedliche Menschen treffen aufeinander und Arbeit bringt Selbstvertrauen. Arbeitgeber tun bereits viel: Personalanwerbung läuft oft über die privaten Netzwerke der Beschäftigten, durch Tandems und Mentoring erfahrener Beschäftigter und Einstiegs- und Praktikumsprogramme kann die Integration gelingen. Der direkte Kontakt zu regionalen Netzwerken in Arbeit und Freizeit kann so nachhaltig die Integration fördern und insbesondere bei der Arbeitsuche unterstützen. Ein wichtiger Baustein sind zudem die berufsbegleitenden Sprachkurse (Job-BSK).


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  • Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

    Migrationshintergrund und -geschichte sowie das Geschlecht sollten bei der Einstellung schlichtweg keine Rolle spielen. Ganz im Gegenteil muss der Zugang zu Arbeit endlich diskriminierungs- und vorurteilsfrei werden. Die Gesellschaft ist vielfältig, die Belegschaft der Unternehmen sollte es auch sein. Davon profitieren alle gleichermaßen, die Unternehmen vor allem, weil sie Frauen mit Migrationserfahrung als Fachkräfte dringend brauchen. Denn in einigen Branchen im Dienstleistungsbereich könnte ohne diese Frauen mittlerweile der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden.

    Oft sind insbesondere Frauen mit Migrationserfahrung nicht über ihre Rechte und Möglichkeiten sowie Beratungsangebote informiert. Im schlimmsten Fall leben sie isoliert und sind bestenfalls über soziale Netzwerke mit anderen Migrantinnen verbunden. Der erste Schritt ist daher, diese Gruppe überhaupt zu erreichen, ob digital oder an Orten der persönlichen Begegnung, wenn nötig, in ihrer Sprache. Ist dies gelungen, müssen sie individuell beraten und unterstützt werden. Die Frauen müssen ermutigt werden, Wege müssen aufgezeigt und Hemmnisse auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit angegangen werden. Dafür brauchen wir engagierte Menschen, die die Frauen kompetent und nachhaltig unterstützen können. Wir haben gesehen, dass die Integration in Arbeit und Ausbildung auch bei zunächst arbeitsmarktfernen Migrantinnen gelingen kann. Sind Projekte erfolgreich, müssen sie in die Regelförderung übergehen, damit die positiven Beispiele kein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.

    Gerade kleinere und mittlere Unternehmen sollten gezielt für die Beschäftigung von Frauen mit Migrationserfahrung gewonnen und nach deren Einstellung nach Bedarf begleitet werden. Fehlt es an einer formalen Qualifikation oder ist der Spracherwerb ein Thema, sollten die Unternehmen es Menschen mit Migrationserfahrung ermöglichen, Abschlüsse berufsbegleitend nachzuholen. So bekommen die Frauen auch eine Chance auf qualifikationsgerechte Beschäftigung. Die Unternehmen sollten über vorhandene Fördermöglichkeiten inklusive der Möglichkeit der Übernahme von Weiterbildungskosten und Zuschüssen zum Arbeitsentgelt informiert werden. Auch in Zukunft darf kein berufsbegleitender Sprachkurs an der Finanzierung scheitern.


    Zur Website des DGB
     

  • Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)

    Gerade auch in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels stellt die Beschäftigung von Frauen mit Migrationshintergrund für die Unternehmen eine Chance dar. Einige Frauen bringen bereits ein hohes Bildungsniveau mit, auch in gefragten MINT-Berufen. Aber auch bei Migrantinnen mit geringerer formaler Bildung lohnen sich Investitionen durch Unternehmen, denn Studien zeigen, dass Frauen mit Migrationshintergrund eine hohe Bindung an ihren Arbeitgeber haben und besonders verlässliche Mitarbeitende sind.

    In […] Interviews mit Unternehmensvertreterinnen und Frauen mit Migrationserfahrung wurde stets die zentrale Rolle einer verfügbaren, verlässlichen und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung betont. Ohne Betreuung ist Erwerbstätigkeit für Mütter, insbesondere mit kleineren Kindern kaum möglich. Dabei sollte die Entscheidung, wie viele Stunden jemand arbeiten möchte, eine persönliche sein und nicht von der Betreuungssituation vorgegeben werden. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten wirken sich aber nicht nur auf die Chancen aus erwerbstätig zu sein, sondern hemmen bereits vorgelagert die Möglichkeit, z. B. einen Deutschkurs zu besuchen oder einen Führerschein zu machen. Dies wiederum schmälert die Teilhabe am Arbeitsmarkt.

    Frauen mit Migrationshintergrund sind zudem besonders betroffen, da oft keine familiären Netzwerke bei der Kinderbetreuung unterstützen können und die Vorgehensweise, um einen Betreuungs-, Krippen-, Kitaplatz oder auch einen Pflegeplatz zu bekommen, weniger bekannt ist. Umständliche, häufig ausschließlich auf Deutsch verfügbare Anmeldeseiten und Verfahren sowie lange Wartezeiten verkomplizieren die Situation zusätzlich. Wir sollten daher einiges daransetzen, das Betreuungsangebot auszubauen und zu verbessern.

    Viele Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden bei der Suche nach Kitaplätzen, ermöglichen flexible Arbeitszeiten und Homeoffice, was die Betreuungssituation zumindest etwas entspannt. Wenn Betriebe – auch in Branchen, in denen diese Maßnahmen nur schwer oder gar nicht möglich sind – Tipps brauchen, wie sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken können, können sie sich u.a. an das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ wenden. Es bietet gerade für kleine und mittlere Unternehmen kostenlose praktische Tipps, Hilfen und Informationen an. Darüber hinaus sind die Betriebe aber – ebenso wie die Eltern bzw. Mütter – grundlegend auf ein gut ausgebautes, flexibles und hochwertiges Betreuungsangebot angewiesen. Eine sinnvolle politische Maßnahme für Betriebe und Arbeitnehmende wäre es, von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen. So könnten Tage mit gesicherter Betreuung voll ausgenutzt werden und die Zeit steht für andere Tage zur Verfügung.

    Schaut man in den betrieblichen Alltag, so führt vor allem ein klarer Wertekompass dazu, dass Frauen mit Migrationshintergrund gut im Unternehmen ankommen. Konkret lohnt es sich, eine weibliche Ansprechpartnerin zu benennen, idealerweise nicht in einer Führungsposition. Das ermöglicht es gerade neuen Mitarbeitenden, auch private Fragen zu stellen und Probleme anzusprechen. Bei größeren Unternehmen empfiehlt sich die Einführung eines Buddy- oder Patensystems, wobei neue Mitarbeiterinnen eine erfahrene Kollegin an die Seite gestellt bekommen.

    Sowohl die Interviews als auch die Statistik zeigen, dass es für Frauen mit Migrationshintergrund vergleichsweise schwer ist, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die häufig fehlende Berufsorientierung nachzuholen und die Grundlagen des Spracherwerbs bereitzustellen kann ein Unternehmen nicht leisten. Hier sind nicht zuletzt auch die Arbeitsagenturen gefragt, frühzeitig Kontakt aufzunehmen und für eine Berufsaufnahme zu motivieren. Ausreichend und verlässlich verfügbare Integrationskurse bilden die Grundlage.

    Sobald ein solides Sprachfundament vorhanden ist, gibt es viele Möglichkeiten berufsbegleitend zu unterstützen, z. B. über BAMF-Berufssprachkurse. Auch hier muss die Beantragung unkompliziert und die Kurse verfügbar sein. Digitale Formate und modulare Buchungsmöglichkeiten erleichtern die Teilnahme. Die Erfahrungen unseres Projektes NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge zeigt, dass Betriebe grundsätzlich bereit sind, ihre Beschäftigten für den Spracherwerb auch freizustellen, wenn das Angebot regelmäßig genutzt wird.

    Zur Website des DIHK

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