MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch

Wege in die Selbständigkeit: Information und Empowerment durch MY TURN

Beim 22. Lunch & Learn der Vernetzungsstelle MY TURN ging es um das Thema Selbständigkeit. Immer wieder interessieren sich die Teilnehmerinnen der MY TURN-Projekte für einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt durch Gründung und Selbständigkeit. Dahinter steht häufig der Wunsch nach einem flexiblen, selbstbestimmten Arbeitsleben und das Ziel, ihre informellen oder bisher unerkannten Kompetenzen optimal einsetzen zu können.

Bereits heute stellen Migrantinnen und Migranten insgesamt 21 Prozent der Gründerinnen und Gründer in Deutschland – obwohl ihr Bevölkerungsanteil nur bei 18 Prozent liegt. Frauen mit Einwanderungsgeschichte gründen häufiger als Frauen ohne Einwanderungsgeschichte und ebenso häufig wie Männer mit Einwanderungsgeschichte. Wie können die MY TURN-Projekte ihre Teilnehmerinnen dabei unterstützen, erfolgreich zu gründen?

Auf diese Frage gaben Karin Silvestri und Katharina Barth vom MY TURN-Projekt FEMME – FEMale Migrants Empowerment beim Lunch & Learn Antworten und berichteten von ihren Erfahrungen. Das Projekt legt einen speziellen Fokus auf Gründungsberatung, Silvestri und Barth sind Expertinnen auf diesem Gebiet. Anschließend stellten Nicole Molina vom MY TURN-Projekt „Possible” und Andrea Balmerth vom MY TURN-Projekt „MY TURN – MY CHOICE” Praxisbeispiele aus ihrer Arbeit mit den Teilnehmerinnen vor.

Was heißt es, in Deutschland selbstständig zu arbeiten?

In einigen Herkunftsländern der MY TURN-Teilnehmerinnen ist es einfacher als in Deutschland, ein kleines Unternehmen zu gründen, zum Beispiel ein Geschäft zu eröffnen. Diese Erfahrungen prägen die Vorstellungen davon, was Selbstständigkeit bedeutet und wie leicht zugänglich sie sein kann. Im Vergleich dazu ist der Weg zur Gründung in Deutschland komplex - mit hohen bürokratischen Hürden, spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, steuerlichen Fragen und Versicherungspflichten.

Der Weg in die Selbständigkeit und eine Gründung brauche deshalb viel Orientierung und umfassende Aufklärung – z. B. durch Einzelberatungen und Gruppenseminare, erklärt Karin Silvestri. „Wir verstehen unsere Arbeit als Bildungsarbeit“, sagt sie, „wir wollen die Frauen erst einmal gut informieren, nicht in die Selbständigkeit drängen.“ An erster Stelle, so Silvestri, stehe immer die Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen für das Geschäftsmodell und ob die Idee dahinter tragfähig ist.

Netzwerken und Weiterbildung

Um die Frauen optimal auf eine mögliche Selbständigkeit vorzubereiten, sei auch ein gutes Netzwerk wichtig, sagt Katharina Barth. Das Projekt „FEMME – FEMale Migrants Empowerment“ bietet deshalb unter anderem ein Mentoring-Programm an, bei dem sich die Teilnehmerinnen mit bereits erfahrenen Unternehmerinnen austauschen können. „Neulich haben wir eine Friseurin aus der Ukraine eingeladen", sagt Barth, „sie hat den anderen Teilnehmerinnen ihren Weg zur Unternehmerin in Deutschland geschildert.“

Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Vermittlung von Fachvokabular, erklären Silvestri und Barth. Begriffe wie „Gewerbeanmeldung", „Kleinunternehmerregelung" oder „Berufszulassung" seien meist neu oder manchmal auch aufgrund der noch geringen Deutschkenntnisse der Teilnehmerinnen nur schwer zu vermitteln. Deshalb bieten sie im Projektverlauf mehrere Workshops zur Fachsprache an. Solche Angebote kommen gut an: „Die Motivation, sich weiterzuentwickeln, ist sehr hoch“, sagt Silvestri, „denn die Frauen identifizieren sich stark mit ihrem Ziel“.

Realitätscheck - Erfahrungen aus den Projekten

Andrea Balmerth berichtet aus ihrer Erfahrung im Projekt MY TURN – MY CHOICE, wie hilfreich es sei, die Frauen zu Beginn einen Selbsteinschätzungsbogen ausfüllen zu lassen. Dabei geht es um Fragen wie: Kann das nötige Startkapital für die Geschäftsidee aufgebracht werden? Wie viele Stunden pro Woche kann und will die Teilnehmerin wirklich selbstständig arbeiten? Verfügt sie bereits über die notwendigen Kompetenzen, um die Buchhaltung zu führen?

Im Projekt Possible können die Teilnehmerinnen, die noch keine klare Vorstellung von ihrer beruflichen Zukunft haben, über zwölf Wochen im „Empowerment Lab“ eine Lern- und Entwicklungsreise durchlaufen. Mit dem Ziel, ihren individuellen Aktionsplan für ihren Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt zu erarbeiten, nehmen sie an sechs verschiedenen Modulen teil. Auf diesem Weg finden einige Teilnehmerinnen heraus, dass sie in die Selbständigkeit gehen möchten. Hier steht ihnen dann ein anderes Projekt beim Träger zur Verfügung, in das sie verwiesen werden können. Im Empowerment Lab sei kürzlich eine Teilnehmerin mit Kocherfahrung zu dem Entschluss gekommen, als selbstständige Kochlehrerin arbeiten zu wollen, erzählt Nicole Molina. „Kurz darauf hat sie Honorarverträge als Kochlehrerin an der VHS unterschrieben.“

Andere Teilnehmerinnen hingegen hätten gemerkt, dass der Weg in die Selbständigkeit nicht der richtige für sie sei, berichtet Molina. Sie werden bei der Suche nach einer geeigneten Festanstellung weiterhin im Projekt „Possible“ begleitet. Alternativ kann zunächst auch die Gründung im Nebenerwerb ein erster Schritt in eine Selbständigkeit sein.

Auch beim Thema Gründung und Selbständigkeit zeigt sich wie so oft in der MY TURN-Arbeit: Die Gruppe der MY TURN-Teilnehmerinnen ist sehr heterogen. Die Frauen kommen mit ganz unterschiedlichen Erwartungen, Erfahrungen und Kompetenzen in die Projekte. Die Stärke von MY TURN ist es, auf diese verschiedenen Faktoren einzugehen und die Teilnehmerinnen ganzheitlich entsprechend ihren persönlichen Voraussetzungen, Wünschen und Bedarfen zu beraten und zu begleiten.

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