MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch

Brücken in den Arbeitsmarkt: Wie MY TURN-Projekte erfolgreich mit Unternehmen zusammenarbeiten

Wie gelingt es, Unternehmen für eine Zusammenarbeit mit MY TURN-Projekten zu gewinnen – und wie sollte diese Kooperation gestaltet sein, um nachhaltig erfolgreich zu sein? Diesen Fragen widmete sich das 23. Lunch & Learn der Vernetzungsstelle MY TURN.

Linda Wittbrodt vom Träger SÖSTRA e. V., der als Teilvorhabenpartner in der Vernetzungsstelle für das Programmmonitoring zuständig ist, stellte zentrale Ergebnisse einer Trägerbefragung zur Zusammenarbeit der MY TURN-Projekte mit Unternehmen vor, an der sich im November letzten Jahres 59 MY TURN-Projekte beteiligt haben.

Darüber hinaus konnten die Teilnehmer*innen der Lunch & Learn-Veranstaltung von den Erfahrungen dreier MY TURN-Projekte profitieren. Sie stellten Praxisbeispiele aus den Projekten „Jetzt bin ich dran! Zugewanderte Frauen starten beruflich durch“ (Hamburg), „My Turn Bielefeld - Frauen erobern den Arbeitsmarkt“ und „START - Selbstbestimmte Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt“ (Hannover) vor.

Auf dem Weg zur Kooperation

Ziel der durchgeführten Befragung war es, die bisherigen Erfahrungen und Strategien im Bereich der Unternehmensansprache zu erfassen und zu identifizieren. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Die aktive Ansprache von Unternehmen ist für viele MY TURN-Projekte ein zentraler Bestandteil der Integrationsarbeit. Dabei greifen die Projekte auf verschiedene Wege zurück.

Dank langjähriger Erfahrungen vieler Träger verfügen fast alle MY TURN-Projekte über ein etabliertes Netzwerk an Unternehmen, mit denen sie Kontakte und Kooperationen pflegen. Laut Wittbrodt setzen die meisten Projekte jedoch regelmäßig auch auf Kaltakquise – so das Ergebnis der Befragung. Sind die Branchen identifiziert, die für die MY TURN-Teilnehmerinnen besonders interessant sind - etwa Pflege, Kinderbetreuung, Gastronomie oder Reinigung - gehen die Projektmitarbeitenden proaktiv auf Unternehmen zu.

Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen der Kontakt auf anderem Wege zustande kommt, etwa durch Hinweise des Arbeitgeber-Services oder anderer Mitarbeiter*innen der Arbeitsverwaltung, Netzwerkpartner oder auch durch Unternehmen selbst, die auf das Programm MY TURN aufmerksam geworden sind. In jedem Fall, so Linda Wittbrodt, gibt es übereinstimmende Einschätzungen dazu, welche Ansprachewege bei Unternehmen besonders erfolgreich sind. „Etwa drei Viertel der Projekte empfehlen besonders den persönlichen Kontakt, zum Beispiel per Telefon oder mit einem Besuch vor Ort.“

Wichtig ist der persönliche Kontakt vor allem, um die Unternehmen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Begegnungsformate, in denen sich interessierte Frauen und potenzielle Arbeitgeber kennenlernen können, sind Dreh- und Angelpunkte, um Vorbehalte abzubauen und Potenziale sichtbar zu machen. Besonders erfolgreich zeigen sich dabei Formate wie Betriebsbesuche, Jobmessen oder Praktika.

Aus Sicht des Unternehmens denken

Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel der häufigste Grund für Unternehmen ist, mit MY TURN-Projekten zusammenzuarbeiten. Jedoch gibt es Hürden: Viele Betriebe stellen hohe Anforderungen an Sprachkenntnisse und Qualifikationen und verfügen nur über wenig Flexibilität und begrenzte Ressourcen für Einarbeitung und Begleitung. Diese Bedarfe und Hindernisse zu erkennen und zu verstehen ist essenziell, um Unternehmen für MY TURN zu gewinnen. Erfolgreich sein bedeutet daher, sich zu überlegen: Wie kann das Projekt das Unternehmen ganz konkret und praktisch unterstützen? „Eine überzeugende Darstellung der Vorteile, des Mehrwerts, einer Zusammenarbeit mit MY TURN, weckt das Interesse an einer Kooperation“, so Wittbrodt.

In der Umsetzung zeigen die Projekte eine hohe Anpassungsfähigkeit und Kreativität: Sie schaffen niedrigschwellige Begegnungsformate, stellen konkrete Unterstützungsangebote für Arbeitgeber bereit und begleiten sowohl Teilnehmerinnen als auch Unternehmen über den gesamten Vermittlungsprozess hinweg – oft auch über die Einstellung hinaus. Feste Ansprechpartner*innen, eine offene Kommunikation und individuelle Begleitung auf Augenhöhe sind dabei entscheidend, um nachhaltige Kooperationen aufzubauen.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren lassen sich abschließend klar benennen: Transparenz, Vertrauen und Verlässlichkeit. Wie dies konkret in der Praxis umgesetzt werden kann, berichteten anschließend drei MY TURN-Projekte.

Wie sieht es in der Praxis aus? Erfolgreiche Ansätze aus Hamburg, Bielefeld und Hannover

Christa Rosenboom, Projektmitarbeiterin von Jetzt bin ich dran aus Hamburg, berichtete über die Bedeutung von Praktika als wertvolle Türöffner. Diese werden in enger Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Coaches des Projektes, den Teilnehmerinnen und den Betrieben durchgeführt. Die Coaches begleiten den gesamten Prozess, stehen bei Fragen zur Seite, sprechen mit den Anleiter*innen und koordinieren am Ende des Praktikums eine gemeinsame Auswertung, in der auch Übernahmechancen besprochen werden. „Oft führt ein Praktikum zu einer Beschäftigung“, so Christa Rosenboom. Dabei sei es wichtig, Zeit und Geduld in die Beziehung zu den Unternehmen zu investieren - und auch den Frauen und Betrieben während und nach der Integrationsphase unterstützend zur Seite zu stehen.

Petra Lindner, Projektleiterin von MY TURN Bielefeld - Frauen erobern den Arbeitsmarkt, bestätigte die Wichtigkeit, den Betrieben feste Ansprechpartner*innen bei MY TURN anzubieten und stellte das Konzept und die Vorteile eines fest im Projekt installierten Akquise-Teams vor. Dieses Team bildet die Brücke zwischen den Projektteilnehmerinnen, deren Coaches und dem Arbeitsmarkt. Es spricht gezielt Unternehmen an, organisiert Betriebsbesichtigungen und nutzt die hergestellten Kontakte zu den Unternehmen für die Vermittlung der Teilnehmerinnen. Basis hierfür sind zuvor im Coaching erarbeitete Bewerberinnenprofile. „Besonders mit Betriebsbesichtigungen machen wir positive Erfahrungen, da hier der Personalbedarf gleich geklärt werden kann und die Teilnehmerinnen gegebenenfalls direkt mit den zuständigen Ansprechpartner*innen, zum Beispiel den Personalverantwortlichen, in Kontakt treten können“, so Natalia Schendel, die im Akquise-Team arbeitet.

Abschließend berichtete Aurora Meyring, Projektleiterin des Hannoveraner Projekts START - Selbstbestimmte Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt, von einer gelungenen Zusammenarbeit mit einer lokalen Bäckereikette. Aus einem Kontakt bei einem offenen Job-Speed-Dating entwickelte sich ein enger Austausch, der schließlich in einem exklusiven Job-Speed-Dating nur für MY TURN-Teilnehmerinnen mündete. „Gemeinsam Veranstaltungen zu initiieren, kann entscheidend sein", betonte Meyring, „so wird die Einstellung von Mitarbeiterinnen zum gemeinsamen Ziel.“ Das Ergebnis: mehrere Probetage, feste Arbeitsverträge – und eine Teilnehmerin, die heute auf Werbeplakaten der Bäckerei zu sehen ist. Entscheidend für den Erfolg war das bereits bestehende Diversitätsbewusstsein des Unternehmens und die kontinuierliche, vertrauensvolle Begleitung durch das Projektteam.

Fazit

Das 23. Lunch & Learn zeigte eindrucksvoll, wie MY TURN-Projekte die Herausforderungen der Arbeitsmarktintegration pragmatisch und lösungsorientiert angehen. Die Befragungsergebnisse machten deutlich, worauf es in der Zusammenarbeit mit Unternehmen ankommt, und bieten so wertvolle Hinweise für die strategische Weiterentwicklung der Arbeit mit Unternehmen. Wie diese Strategien im Alltag umgesetzt werden können, veranschaulichten die erfolgreichen Praxisbeispiele aus Hamburg, Bielefeld und Hannover.

Die Beispiele zeigen: Eine gelingende Kooperation zwischen MY TURN-Projekten und Unternehmen braucht persönliche Kontakte und Möglichkeiten der Begegnung, klare Rollen im Team, praktische Angebote wie Praktika oder Betriebsbesichtigungen – und vor allem: gegenseitiges Vertrauen. Wenn Projekte sich an den Bedarfen von Unternehmen orientieren und diese gleichzeitig für die Potenziale der Teilnehmerinnen sensibilisieren, entstehen so Chancen für eine nachhaltige Zusammenarbeit und echte Brücken in den Arbeitsmarkt. Die Befragungsergebnisse fließen direkt in eine zweite praxisorientierte Handreichung der Vernetzungsstelle ein, die aktuell vorbereitet und zeitnah auf der MY TURN-Website veröffentlicht wird.

 

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