MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch

24. Lunch & Learn zum Instrument Teilqualifizierung – Neue Chancen für den (Wieder-)Einstieg in den Beruf

Wieso Teilqualifizierung ein echter Game-Changer für Frauen ohne (anerkannten) Berufsabschluss sein kann, welche Voraussetzungen und Fördermöglichkeiten bestehen und wie sie erfolgreich in die MY TURN Arbeit integriert werden kann – diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt des 24. Lunch & Learn der Vernetzungsstelle MY TURN.

Als Impulsgeberin stellte Antje Baier, Projektleiterin des bei der DIHK Service GmbH angesiedelten Projekts "Chancen nutzen! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss", das Nachqualifizierungsinstrument vor und betonte die Chancen, die dieses Angebot bietet.

Eine Teilqualifizierung besteht aus mehreren Teilqualifikationen, kurz TQs. Sie bieten eine praxisnahe Möglichkeit, berufliche Qualifikationen schrittweise zu erwerben.

Die Expertin beschrieb das Konzept als wichtigen Baustein zur Fachkräftesicherung und zur beruflichen Integration von Menschen ohne Abschluss: „Teilqualifikationen eröffnen Erwerbsfähigen über 25 Jahren einen flexiblen Weg zum Berufsabschluss – besonders für Menschen mit niedrigem oder ausländischem Bildungsabschluss.“

Genau hier setzen Teilqualifikationen an: klassische Ausbildungsberufe werden in mehrere Module untergliedert, die einzeln durchlaufen werden können. Zwei Drittel der Inhalte werden bei einem Bildungsträger vermittelt, ein Drittel findet im Betrieb statt. Am Ende jedes Moduls steht ein Kompetenzfeststellungsverfahren der Industrie- und Handelskammer (IHK). „Damit erhalten Teilnehmende ein IHK-Zertifikat, das unmittelbar auf dem Arbeitsmarkt verwertbar ist“, so Baier.

Auch wer nicht alle Module absolviert, profitiert. „Aus unserer Erfahrung führen selbst einzeln abgeschlossene TQs oft zu einer Festanstellung“, betonte sie. Wer hingegen alle Module erfolgreich durchläuft, kann über die Externenprüfung der IHK einen anerkannten Berufsabschluss erwerben. „Die Idee lautet: Schritt für Schritt.“

Ein großer Vorteil liege in der Flexibilität. Manche Teilqualifikationen lassen sich in Teilzeit absolvieren und sind kombinierbar mit berufsbezogener Sprachförderung. „Das ist besonders für Frauen mit Kindern ein großer Vorteil“, so Baier. Auch die Reihenfolge der Module ist häufig nicht vorgegeben. „Teilnehmende können gemeinsam mit einem Unternehmen gezielt einzelne TQs auswählen, die zur direkten Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis führen.“

Darüber hinaus kann vorhandene Berufserfahrung anerkannt werden. „Wenn ein Arbeitgeber frühere Tätigkeiten bestätigt, können einzelne TQs ausgelassen werden“, erklärte Baier. Finanziert wird das Modell in der Regel durch die Agentur für Arbeit, die nicht nur die Qualifizierungskosten übernimmt, sondern auch Praktikumsentgelte für beteiligte Betriebe. Zudem sind begleitende Angebote wie Lerncoachings oder Sprachkurse förderfähig.

Teilqualifikationen werden aktuell vor allem für Berufe der IHK in Bereichen wie Lager und Logistik, IT, Hotel- und Gastgewerbe, Tourismus, kaufmännische Tätigkeiten, Schutz und Sicherheit oder Floristik sowie gewerblich-technische Berufe angeboten. Eine Übersicht stellt das Projekt unter www.chance-tq.de zur Verfügung. Für interessierte Projekte sind die regionalen IHKs immer die ersten Ansprechpartner.

Integration durch Teilqualifikationen: Erfahrungen aus Heilbronn

Der Blick in die MY TURN Praxis bestätigte das Vorangegangene: das MY TURN-Projekt
ELLA – Erfahrung, Lernen, Leben, Arbeiten aus Heilbronn zeigte im zweiten Teil der Veranstaltung anschaulich, wie Teilqualifikationen erfolgreich in die MY TURN-Arbeit eingebunden werden können. In enger Kooperation mit dem Jobcenter, der IHK und der Handwerkskammer (HWK) setzt das Projektteam gezielt auf TQs – insbesondere in den Bereichen Hauswirtschaft, Gastronomie, Elektro und kaufmännische Berufe. „In der Region Heilbronn haben sich Teilqualifikationen als etablierte Maßnahme bewährt, unterstützt durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren“, so Projektleiterin Michaela Mielke.

Sie hob hervor, dass Teilqualifikationen insbesondere Frauen ohne anerkannten Berufsabschluss oder mit im Ausland erworbenen Qualifikationen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. In kleinen, überschaubaren Einheiten können sie praxisnahes Wissen erwerben und erhalten ein anerkanntes Zertifikat – ein entscheidender Faktor, „weil, wie wir alle wissen, Deutschland Zertifikate liebt“, wie Mielke es formuliert. Gerade für Frauen, die sich eine Vollausbildung nicht mehr zutrauen, sei eine sechsmonatige TQ oft ein erster, realistischer Schritt. „Viele fühlen sich zu alt oder glauben, dass sie eine Ausbildung ohnehin nicht schaffen würden“, berichtete sie. Die niedrigschwellige Struktur ermögliche es, Selbstvertrauen zurückzugewinnen beziehungsweise zu erlangen.

Während der Qualifizierung bleiben die Teilnehmerinnen bei Bedarf in engem Kontakt mit dem ELLA-Team und werden zusätzlich durch die Bildungsträger betreut. Oft ist diese Unterstützung aber nicht mehr lange erforderlich, da viele Frauen bereits während oder unmittelbar nach der TQ in eine Beschäftigung übergehen. Auch die Rückmeldungen von Arbeitgebern zum Instrument seien durchweg positiv – ein Ergebnis der langjährigen regionalen Förderung von Teilqualifikationen durch Jobcenter, Kammern und Unternehmen, unterstreicht Mielke.

Die Geschichten von zwei MY TURN-Teilnehmerinnen, von denen Mielke berichtete, zeigen exemplarisch, wie Teilqualifikationen berufliche Perspektiven eröffnen können: Eine Frau aus der Ukraine, mit langjähriger Erfahrung in der Buchhaltung, nutzte eine TQ im kaufmännischen Bereich, um sich in der deutschen Buchführung zu qualifizieren – und wurde bereits vor Abschluss der Maßnahme vom Bildungsträger der TQ eingestellt. Eine weitere Teilnehmerin aus Gambia, die im Herkunftsland im Hotelbereich gearbeitet hatte, konnte durch eine TQ in der Hauswirtschaft ihre praktischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und ihre Sprachkenntnisse verbessern. Auch sie erhielt im Anschluss eine feste Anstellung und fand so den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.

Im 24. Lunch & Learn zeigte sich ganz praktisch, dass eine Teilqualifizierung mehr sein kann als ein reines Qualifizierungsinstrument. Sie eröffnet praxisnahe, flexible Wege in den Arbeitsmarkt und macht berufliche Bildung auch für Frauen zugänglich, die keine klassische Ausbildung mehr durchlaufen können oder wollen. Sie ermöglicht einen schrittweisen Kompetenzerwerb und trägt dazu bei, vorhandene Erfahrungen sichtbar und verwertbar zu machen.

Damit unterstützt die Teilqualifizierung zentrale Ziele des Programms MY TURN: die Stärkung von Frauen mit Migrationserfahrung durch passgenaue Qualifizierungsangebote, individuelle Begleitung und die gezielte Aktivierung bisher ungenutzter und ungesehener Potenziale – für mehr Teilhabe und nachhaltige Beschäftigungsperspektiven.

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