Zwei Wege, ein Ziel: die Teilnehmerinnenbegleitung im Projekt „MY TURN – MY CHOICE“
Das Ziel aller MY TURN-Projekte ist dasselbe: Migrantinnen auf ihrem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt zu begleiten und zu unterstützen. Die konkrete Umsetzung kann dabei ganz unterschiedlich sein. Je nachdem, ob sie in ländlichen oder städtischen Regionen angesiedelt sind, ob die Teilnehmerinnen ein homogenes Profil haben und welche Räumlichkeiten und Arbeitsmittel den Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, variieren die Herangehensweisen. Jedes Projekt hat seinen eigenen Ansatz entwickelt – das Projekt MY TURN – MY CHOICE sogar zwei.
Das Verbundprojekt mit zwei Partnerorganisationen und zwei Standorten in Hessen zeigt exemplarisch, wie vielfältig die Arbeit im Rahmen des MY TURN-Programms sein kann. Der Verein „Frauen für Frauen e.V. – Zentrum Information Beratung Bildung“ (ZIBB) verantwortet den Standort Groß-Umstadt im Landkreis Darmstadt-Dieburg und setzt auf ein flexibles Modell. Im Gegensatz dazu verfolgt der Verein „femkom Frauenkompetenzzentrum“, der das Projekt in Darmstadt umsetzt, einen fest strukturierten Ansatz.
„MY TURN – MY CHOICE“ – ein Modell mit Flexibilität
Beim modularen Konzept des ZIBB können die Teilnehmerinnen frei wählen, an welchen und wie vielen Angeboten sie teilnehmen möchten und individuell in die einzelnen Angebote einsteigen oder bei Bedarf auch pausieren – ganz nach ihrer persönlichen Lebenssituation und ihren Bedürfnissen. Die Angebote sind dabei vielfältig: Sprachförderung, Berufsorientierung, Bewerbungstrainings in Gruppen- und Einzelsettings, wöchentliche Empowerment-Angebote sowohl online als auch in Präsenz sowie digitale Kompetenztrainings. Ergänzt wird dieses modulare System durch kursartige Einheiten mit fester Struktur.
Parallel dazu werden die Teilnehmerinnen durch Einzelgespräche, Beratung und Coaching, unterstützt, um auf individuelle Bedarfe der Frauen eingehen zu können und regelmäßig zu prüfen, ob das zu Beginn festgelegte Ziel weiterhin erreicht werden kann. Für einen regelmäßigen Austausch mit anderen MY TURN-Teilnehmerinnen gibt es einmal pro Woche einen Gruppentag.
Die Angebote finden in der Regel an bis zu fünf Tagen pro Woche mit jeweils bis zu vier Zeitstunden statt. Die Module sind für eine Gruppengröße von ein bis 14 Teilnehmerinnen konzipiert. Bei Online-Formaten sind bis zu 20 Teilnehmerinnen möglich.
Dieses Modell wurde bewusst gewählt, um den spezifischen Bedingungen im ländlichen Gebiet gerecht zu werden, zu denen eine weniger homogene Zielgruppe, höhere Teilnehmerinnenzahlen und ein erhöhter Bedarf an individueller Ausrichtung gehören. Die flexible Struktur schafft Raum für eine passgenaue Unterstützung, die unabhängiger vom Bildungsstand, der Lebensrealität oder den zeitlichen Ressourcen der Teilnehmerinnen ist. Diese Offenheit kann besonders für Frauen mit familiären Verpflichtungen attraktiv sein.
Gleichzeitig bringt diese Flexibilität aber auch Herausforderungen mit sich. Die Teilnehmerinnen müssen ein hohes Maß an Selbstorganisation mitbringen, was nicht immer gegeben ist. Die geringere Verbindlichkeit des offenen Formats kann zu einer geringeren Teilnahmebereitschaft und einer stärker neigungsgeleiteten Auswahl der Angebote führen, was den Lernerfolg beeinträchtigen kann.
Für die Projektmitarbeitenden bedeutet dieser Ansatz weniger Planungssicherheit und teils einen erhöhten Aufwand. Gleichzeitig verfügen aber auch sie damit über viel Flexibilität, um auf die aktuellen Bedarfe und Themen der Frauen eingehen zu können.
„MY TURN – MY CHOICE“ – ein Modell mit verbindlichem Kurssystem
Femkom in Darmstadt folgt einem verbindlichen Kursmodell mit festem Stundenplan an zwei bis drei Vormittagen pro Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten. Mit 15 Teilnehmerinnen pro Durchgang wird in einer festen Gruppe gearbeitet, ähnlich wie in einer Schulklasse. Diese Struktur schafft Verlässlichkeit und Stabilität, bietet eine zielorientierte Lernumgebung und ermöglicht eine intensive, kontinuierliche Entwicklung innerhalb der Gruppe. Regelmäßige Einzelgespräche ergänzen die Gruppenarbeit, um auf die individuellen Bedarfe der Frauen und ihre jeweilige Zielerreichung eingehen zu können.
Im Zentrum dieses Vorgehens stehen acht aufeinander aufbauende Bausteine zur Persönlichkeitsentwicklung und beruflichen Orientierung sowie ein damit verzahntes, umfassendes IT-Training. In wöchentlichen Gruppencoachings und Workshops – teils online, teils in Präsenz – erleben die Frauen einen diskriminierungsfreien, wertschätzenden und geschützten Raum. In diesem können sie ihre Stärken erkennen, Selbstwirksamkeit entwickeln und Resilienz aufbauen. Die Workshops behandeln zentrale Themen wie Kompetenzfeststellung, berufliche Perspektiven, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen und Finanzen, eigenständige Existenzsicherung, das Setzen und Erreichen persönlicher Ziele sowie das Erkennen und Nutzen eigener Ressourcen. Durch seine feste, strukturierte Form mit klarer Gruppenzusammensetzung bietet der Ansatz von femkom in Darmstadt den Teilnehmerinnen ein starkes Zugehörigkeits- und Gruppengefühl. Wie eine Teilnehmerin es ausdrückte: „Endlich bin ich nicht mehr allein!“
Der regelmäßige Austausch fördert den Zusammenhalt sowie die kollektive Motivation, denn die Frauen wollen gemeinsam Erfolge erzielen. Gleichzeitig kann es passieren, dass sich Frauen in einer Gruppe weniger wohlfühlen und sich daher weniger einbringen oder zurückhaltend sind, ihre Meinung zu äußern. Zudem können unterschiedliches Vorwissen und Erwartungen dazu führen, dass sich nicht alle Teilnehmerinnen gleichermaßen abgeholt fühlen. Der Unterricht erfolgt daher binnendifferenziert und setzt eine intensive Zusammenarbeit zwischen Dozentin und Lernenden voraus.
Den Projektmitarbeiterinnen erleichtert das strukturierte Vorgehen die Zielerreichung und ermöglicht eine gute Planung, Organisation und Durchführung der Angebote. Zudem können die Mitarbeiterinnen den Lernfortschritt der Teilnehmerinnen gut beobachten und sie gezielt unterstützen. Nachbereitung und Auswertung der Workshops sind oft zeitaufwendig, jedoch unerlässlich für den Erfolg der Arbeit.
Gemeinsame Auswertung und Reflexion der Ansätze
Beide Modelle – das flexible wie auch das strukturierte – haben ihre Stärken und Herausforderungen. Welche Herangehensweise am besten wirkt, hängt von den regionalen Strukturen und Voraussetzungen der Trägerorganisation, der Professionalität der Mitarbeiterinnen sowie von den Lebensumständen, Ressourcen und Zielen der Projektteilnehmerinnen ab. Das ist das Fazit der beiden Trägerorganisationen. Das Wichtigste dabei aus ihrer Sicht: Bei der Begleitung der Frauen müssen ihre individuellen Voraussetzungen, Wünsche, Ziele und Potenziale an erster Stelle stehen. Nur so können sie erfolgreich auf ihrem Weg begleitet werden.
Wenn Sie mehr über das Projekt „MY TURN – MY CHOICE“ erfahren möchten, finden Sie die Kontaktdaten im Projektsteckbrief